Die Weltgesundheit zahlt einen tödlichen Preis dafür, dass die Kombination aus einfachen, kostengünstigen Blutdrucksenkern, Lipidsenkern (Statinen) und blutverdünnender Acetylsalicylsäure in einer einzigen Tablette, auch Polypille genannt, nicht auf breiter Basis eingesetzt wird. Die flächendeckende Verfügbarkeit von Polypillen würde das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich verringern und wäre für die meisten Menschen weltweit erschwinglich, heißt es in einem Aktionsaufruf von zwei führenden Kardiologen, der heute in The Lancet veröffentlicht wurde.

Salim Yusuf

„Trotz umfangreicher wissenschaftlicher Belege für die hohe Wirksamkeit, Sicherheit und Erschwinglichkeit der Polypille, sind nur wenige solcher Kombipräparate erhältlich. Und in den wenigen Ländern, in denen sie verfügbar sind, kommen sie kaum zum Einsatz“, so Prof. Fausto Pinto, Präsident der World Heart Federation.

„Dieses Systemversagen ist eine globale Tragödie, da mithilfe von Polypillen viele vorzeitige Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermieden werden könnten“, merkt Prof. Salim Yusuf an, Executive Director des Population Health Research Institute (PHRI) und emeritierter Professor für Medizin an der McMaster University.

Pro Jahr erkranken etwa 54 Millionen Menschen an einem Herz-Kreislauf-Leiden, ein Drittel von ihnen stirbt daran. 80 % der Betroffenen leben in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau.

Die meisten Herzinfarkte und Schlaganfälle treffen Menschen, die nie zuvor eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hatten, was bedeutet, dass die (primäre) Prävention des ersten Infarkts oder Schlaganfalls von entscheidender Bedeutung ist. Die Sekundärprävention für Personen, die bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden, ist zwar ebenfalls wichtig, hat aber nicht die gleiche Wirkung.

„Die derzeitige Strategie zur Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist in den meisten Ländern nur mäßig erfolgreich. Das gilt auch für Länder mit hohem Einkommensniveau. Selbst dort erhalten weniger als die Hälfte der Patienten mit Herz-Kreislauf-Historie und weniger als 20 % der Patienten ohne Vorerkrankung eine effiziente Präventivbehandlung“, sagt Prof. Yusuf.

Die auch als Fixkombination bekannte Polypille mit einem Blutdrucksenker, einem Statin zur Reduzierung des LDL-Cholesterins und niedrig dosierter Acetylsalicylsäure wurde in den frühen 2000er-Jahren als Mittel vorgeschlagen, um die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen kostengünstig signifikant zu senken.

„Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: So zeigen Daten aus drei unabhängigen, großen Langzeitstudien zur Primärprävention, dass die Polypille lebensrettend ist“, erläutert Yusuf, dessen TIPS-3-Studie (NEJM, 2020) zeigte, dass Herzinfarkte und Schlaganfälle durch Gabe einer Polypille um 20 bis 40 % reduziert werden können.

Fausto Pinto

„Es ist an der Zeit, die Polypille auf breiter Basis einzusetzen, um jedes Jahr Millionen von Leben zu retten“, sagt Prof. Pinto. Er und Prof. Yusuf empfehlen die folgenden neuen Strategien:

1. Große Pharmaunternehmen ermutigen, in die Entwicklung und Erprobung von Polypillen zu investieren – insbesondere in neuere Polypillen mit einer stärkeren blutdrucksenkenden Wirkung (z. B. die Kombination niedriger Dosen von 3 oder 4 Medikamentenklassen mit Statinen und niedrig dosierter Acetylsalicylsäure). Die Herstellung mit generischen Komponenten und die Vermarktung zu lokal angepassten Preisen würde die Bezahlbarkeit der Polypille sicherstellen und gleichzeitig die Profitabilität der Unternehmen sichern. So hätte ein Großteil der Weltbevölkerung Zugang zu dieser Kombitherapie.

2. Die Aufnahme von Polypillen in die Essential Medicines List der WHO sowie in die Leitlinien für die Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wäre ein weiterer wichtiger Schritt. „Dies würde Regierungen und Versicherungsträger, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, dazu ermutigen, Polypillen in ihre Arzneimittellisten aufzunehmen. Das würde dann Ärzten die nötige Basis bieten, um sie zu verschreiben“, führen Pinto und Yusuf aus.

3. Flankierend sollte zudem eine Beratung zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch geschultes Gesundheitspersonal erfolgen – nicht als Ersatz für ärztliche Beratung, sondern als Teil einer kombinierten Strategie, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Das würde zudem niedergelassene Ärzte entlasten, sodass die sich verstärkt um Patienten mit komplexeren Erkrankungen kümmern können.

Editor’s note: The World Heart Federation translated the original English press release to Germann shown here.

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